Im Vorfeld dieses Reha-Aufenthalts habe ich viele Kliniken recherchiert. Ich wusste nicht genau, wonach ich suchte. Mir war aber sehr klar war, was ich nicht wollte. Ich wollte keine "Feld, Wald und Wiesen" Rehaklinik mit Standard-Programm. Ich war auf der Suche nach etwas, das eine Saite in mir zum Klingen bringen und mir helfen würde, tatsächliche Veränderungen in meinem Leben zu bewirken. Nach zwei Empfehlungen von unterschiedlicher Seite habe ich mir daher die Website der Celenus Fachklinik in Freiburg im Breisgau angesehen. Und was mir dort sofort auffiel, war das Angebot des "Therapeutischen Boxens". Es stand keine weitere Erklärung dabei. Aber in mir fing es an zu rattern. Körperorientierte Ansätze sind in Reha-Kliniken außerordentlich selten vertreten, weil die Kostenträger die etablierten Therapieverfahren bevorzugen. Ich spürte jedoch, dass der körperorientierte Ansatz genau das war, nach dem ich gesucht hatte und was mir entsprach.
Vor meiner ersten Stunde im Boxen hatte ich doch schon ein bisschen Angst. Ich dachte, dass es ganz bestimmt super anstrengend werden würde. Und da ich die vergangenen Monate mit sehr großer Erschöpfung zu kämpfen hatte, wusste ich nicht, ob ich die halbe Stunde durchhalten würde. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: ich hielt durch, hätte nochmal dreißig Minuten weitermachen können und verließ den Raum mit einer Energie im Körper, die ich lange Zeit nicht mehr gespürt hatte.
Beim Therapeutischen Boxen geht es nicht darum, blindwütig auf den Boxsack einzudreschen.
Jeder Schlag ein Ja zu mir selbst
Eine der ersten Fragen des Therapeuten, nachdem ich ihm ein bisschen von meiner Geschichte erzählt hatte, war, ob ich heute lieber "Ziele, Emotionen oder Abgrenzung boxen wolle". Ich entschied mich für die Emotionen. Er forderte mich auf, mir ein inneres Bild zu suchen, das für mich Zufriedenheit und Glück verkörperte und mich über die Schläge auf den Boxsack mit diesem Gefühl zu verbinden. Wer mich kennt, weiß, dass mich nichts so glücklich macht, wie mit Hunden und ihren Menschen arbeiten zu dürfen. Und deshalb sah ich mich selbst auch inmitten einer kleiner Gruppe von Mensch-Hund-Teams stehen und lächeln. Die Stimme ist ein weiteres, machtvolles Medium, wenn es darum geht, wieder Verbindung zum Selbst zu finden. Deshalb verband ich jeden einzelnen Schlag mit einem lauten "Ja!", "Na, klar!", "Sowieso!" oder "Und wie!"
In meinem Leben haben Bewegung und Sport immer eine große Rolle gespielt. Mit sechs Jahren begann ich mit dem Turnen und mit acht mit der Leichtathletik. Ich habe viele Sportarten ausprobiert, Sportwissenschaften studiert, als Sporttherapeutin, Fitnesstrainerin und Pilates-Instruktorin gearbeitet. Und auch in der Art und Weise, wie ich Achtsamkeit praktiziere und vermittle, spielt der Körpers eine zentrale Rolle. Denn gerade im Umgang mit belastenden Emotionen kann der Körper der beste Notfallanker sein, um wieder Boden unter den Füßen zu gewinnen.
Und doch wird mir gerade klar, dass ich im Grunde ein sehr funktionales Verhältnis zu meinem eigenen Körper habe. Mir geht es nicht um Genuss oder darum, mich im eigenen Körper wohl zu fühlen, sondern darum, meinen Körper zu verwenden, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Das mag für manche von Euch erschreckend klingen, aber für mich ist das (noch) der Normalzustand. Im Therapeutischen Boxen merke ich nun, dass mein Körper auch ein Weg sein kann, um mich wieder mit meiner tief verschütteten Lebensfreude zu verbinden.
Die Klinik liegt in einem ausgedehnten Waldgebiet, in dem viele Menschen mit ihren Hunden spazieren gehen. Der Anblick eines Hundes lässt mich immer lächeln. Entsprechend froh bin ich, wenn uns beim Outdoor-Sport jemand mit einem Hund entgegenkommt.
Als ich in den ersten Tagen hier das erste Mal längere Zeit alleine spazieren war, begegnete mir eine Dame mit einem Boxer-Mädchen. Ich bin kein großer Fan kurznasiger Hunde. Aber Boxer haben eine Energie, die mich anspricht. So auch dieses Mädchen. Ich habe sie eine Weile beobachtet und musste einfach lächeln. Sie war ein aufgeweckter, zugänglicher und an ihrer Umwelt interessierter Hund mit einer schönen Verbindung mit ihrem Menschen. Sie erschien mit als die verkörperte Lebensfreude. Dieses Bild trage ich seither mit mir herum. Jedes Mal, wenn es mir hier wieder nicht so gut geht, rufe ich mir dieses Boxer-Mädchen in Erinnerung und fange an zu lächeln.
Der erste Hund, dem ich hier begegnete, war ein Boxer.
Soviel für heute. Ich werde noch einige Wochenhier verbringen. Freut Euch auf die nächste Episode meines Reha-Blogs.
Alles Liebe
Eure Biggi