Wenn Du meinen Blog regelmäßig liest, weißt Du, dass ich über den Jahreswechsel in der Reha in Freiburg war. Charlie war während dieser Zeit in der Hundepension einer Kollegin ganz in der Nähe. Fast zwei Monate lang ohne Charlie zu sein, war gleichzeitig schwierig und gut. Gut, weil ich die Verantwortung für ihn abgeben konnte. Versteh mich nicht falsch, ich trage die Verantwortung für meinen Hund ganz selbstverständlich und gern. Einen Hund zu haben, bedeutet, die Verantwortung für ein anderes Lebewesen zu übernehmen. Aber es ist eben auch eine Belastung. Und je sensibler der Hund, desto anstrengender wird das Ganze. Deshalb war es eine Erleichterung, endlich mal alle Energie, die ich noch übrig hatte, nur für mich verwenden zu können.
Erst an diesem Punkt wurde mir nämlich bewusst, wie schwer die Sorge für und um Charlie täglich auf mir lastet. Ich spüre das im Alltag nur selten, weil es so normal ist. Aber die Erkenntnis, wie groß der Unterschied ist zwischen dem, was ich für Charlie tue und was ich an Kraft für meine Selbstfürsorge aufbringe, war schon erschreckend. Ich sage oft „Deine Selbstfürsorge ist die Grundlage für das Wohlergehen Deines Hundes“. Die Reha hat mir gezeigt, wie wahr dieser Satz ist und wie sehr ich mir das auch selbst sagen muss.
Ich sorge mich im Alltag mehr um Charlie als um mich selbst.
Wenn Mensch und Hund unterschiedliche Bedürfnisse haben
Außerdem haben die Reha und die räumliche Distanz Raum geschaffen, unsere Beziehung zu reflektieren, in der es schon immer und oft gerumpelt hat. Charlie und ich haben oft entgegengesetzte Bedürfnisse. Er liebt Menschen und ist am glücklichsten, wenn er eine Gruppe ihm bekannter Menschen beieinander hat und sich entspannt in die Mitte legen kann. Ich dahingegen habe nur eine begrenzte Kapazität, was den direkten Kontakt mit Menschen angeht und brauche lange Regenerationspausen. Was den Kontakt mit anderen Hunden angeht, sind unsere Vorzeichen umgekehrt. Charlie kommt sehr gut ohne viel Hundekontakt aus und reagiert oft unwirsch oder überfordert im direkten Kontakt. Ich dahingegen lebe ich der Gegenwart von Hunden auf. Sie tun mir gut und ich könnte mich den ganzen Tag auf eine Wiese setzen und Hunde beobachten. Und so geht es gerade weiter. Wenn ich Ruhe brauche, will er Kontakt. Wenn ich spielerisch drauf bin, hat er kein Interesse. Es passiert nur selten, dass unsere Bedürfnisse in die gleiche Richtung zielen.
Für Widersprüche dieser Art gibt es keine Lösung. Was es gibt, ist Akzeptanz. Ich akzeptiere, dass Charlie und ich oft nicht auf einer Wellenlänge sind. Und ich lasse die Vorstellung los, dass ich mich verändern müsste, um ihm besser gerecht zu werden. Die Vorstellung, dass er sich verändern müsste, habe ich schon vor Jahren fallengelassen, was damals eine große Erleichterung war. Aber was mich selbst angeht, bin ich noch mittendrin in diesem Prozess. Ich mag Trainerin und Achtsamkeitslehrerin sein, aber ich bin eben auch nur Hundehalterin und auch nur ein Mensch.
Was außerdem hilft, ist Vertrauen. Ich vertraue darauf, dass es einen Sinn hat, dass ausgerechnet dieser Hund, der mir mit seinen Bedürfnissen oft so diametral entgegensteht, bei mir gelandet ist. Welchen Sinn das hat, weiß ich nicht. Aber möglicherweise existiert er ja. Und wenn es „nur“ der Sinn ist, mich wieder und wieder zu triggern, um mich darauf hinzuweisen, dass es Dinge gibt, die ich noch nicht gelernt habe, die ich loslassen könnte und dass es möglich ist, Situationen aus mehr als einer Perspektive zu betrachten. Ich bin ja eher skeptisch, wenn es darum geht, Hunde als Spiegel unserer selbst zu sehen. Aber Trigger für unsere ungesehenen, ungeliebten Anteile und unbearbeiteten Themen sind sie in jedem Fall.
Und schließlich bemühe ich mich auch, selbst zu praktizieren, was ich predige – Selbstmitgefühl. Und, wow, ist das schwierig. Ich war es viele Jahre lang gewohnt, mich zu triezen und zu treten, zu funktionieren und die Zähne zusammenzubeißen. Selbstmitgefühl habe ich mir bis vor wenigen Jahren schon allein deshalb nicht gestattet, weil ich den Unterschied zwischen Selbstmitgefühl und Selbstmitleid nicht kannte. Und letzteres empfand ich als lähmend und unproduktiv. Ich bin immer noch nicht gut in Sachen Selbstmitgefühl. Aber ich übe mich darin. Und das ist alles, was wir tun können: üben. Lernen und Veränderung sind eine Praxis. Und es geht dabei weder um ein Ziel, noch um Perfektion. Es geht einfach nur darum, es zu tun.
Unterschiedliche Bedürfnisse können auch verbinden.
Vielleicht gerätst auch Du immer wieder an Deine emotionalen Grenzen im Alltag mit Deinem Hund. Vielleicht fragst auch Du Dich manchmal, warum ausgerechnet dieser Hund bei Dir gelandet ist. Und vielleicht ist auch Dir nicht ganz klar, wie Du die Bedürfnisse Deines Hundes und Deine eigenen unter einen Hut bekommst. Dann möchte ich Dich ganz herzlich zu meinem Webinar „Das LIMA Prinzip. Praktische Ethik im Alltag mit Hund“ am kommenden Sonntag, 23. Juli einladen. Im Webinar gebe ich Dir Impulse, wie Du gut für Deinen Hund sorgen kannst, ohne Dich selbst dabei zu vernachlässigen. Anmelden kannst Du Dich hier.
Ich freu mich auf Dich.
Deine Biggi
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