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Warum ich Mitgefühl mit aversiv arbeitenden Trainer*innen habe

Biggi Junge

Mitleid, Empathie, Mitgefühl.

Drei Begriffe, die häufig synonym verwendet werden. Dabei unterscheiden sich die Gefühle grundlegend.

 

Mitleid

 

Mitleid ist das Gefühl, das sich einstellt, wenn wir uns emotional in die bedauernswerte Lage eines anderen Wesens hineinbegeben und dessen Leid direkt miterfahren. Ich beispielsweise empfinde ein zum Teil unerträgliches Mitleid, wenn ich auf Social Media Bilder von misshandelten oder grausam getöteten Tieren sehe. Das Gefühl des Mitleids aktiviert denselben Bereich im Gehirn, in dem auch Schmerzen wahrgenommen werden. Ist das Gefühl stark genug, kann es dazu führen, dass keine kognitive Distanzierung mehr möglich ist und sich lähmende Handlungsunfähigkeit breit macht.


Empathie

 

Für Tania Singer, Neurowissenschaftlerin und Psychologin, ist Empathie die Fähigkeit, in emotionale Resonanz mit einer anderen Person zu gehen. Dabei sei Empathie nicht an sich pro-sozial, sondern könne sich auch auf negative Gefühle wie zum Beispiel Ekel beziehen. Empathie beinhaltet darüber hinaus die Fähigkeit zur kognitiven Perspektivübernahme („Theory of Mind“). Das ist die Fähigkeit, Gedanken und Überzeugungen anderer nicht nur zu verstehen, sondern sie auch aus deren Perspektive zu betrachten, ohne ihnen jedoch zuzustimmen. Insofern ist Empathie etwas grundlegend Wertfreies, zu dem im Zweifelsfall auch Psychopathen fähig sind.



Mitgefühl

 

Mitgefühl ist ein pro-soziales Gefühl. Nach Tania Singer liegt es nahe an Fürsorge und Liebe und gründet in einer altruistischen Motivation. Wie die Empathie ist auch diese Fähigkeit angeboren. Sie beruht auf der Existenz neuronaler Netzwerke, die ähnlich funktionieren wie die Spiegelneurone im motorischen Bereich. Christian Bähner, Wirtschaftsmediator aus Freiburg und Lehrer für Gewaltfreie Kommunikation, sieht Mitgefühl als eine Mischung warmherziger Gefühle bei gleichzeitiger Akzeptanz des Leids, ohne sich damit zu identifizieren. Und Kristin Neff, Mit-Begründerin des achtsamkeitsbasierten Selbst-Mitgefühl-Trainings (MSC, mindfulness-based self-compassion), versteht unter Mitgefühl ein Zusammenwirken von Freundlichkeit, gemeinsamen Menschseins und Achtsamkeit.


Alle drei Autor*innen sind sich einig, dass Mitgefühl, obgleich es angeboren ist, kultiviert werden müsse. Dies gelinge am besten über ein Training von Präsenz und kognitiver Perspektivübernahme sowie der bewussten Wahrnehmung der eigenen, emotionalen Zustände.


Unfreiwillig empathisch

 

Menschen, die in sozialen Berufen arbeiten, wozu ich auch Hundeberufe zähle, kennen das Phänomen der emotionalen Erschöpfung („Burn-Out“). Die angeborene Fähigkeit zur Resonanz mit den Bedürfnissen anderer Wesen kann schnell zu einer belastenden Erfahrung werden. Daher ist es wichtig, dass wir lernen, unsere Empathie zu steuern und uns abzugrenzen. Mathieu Ricard, Molekularbiologe und Mönch in der Tradition des tibetischen Buddhismus, formuliert es so: „Ohne den Anteil der Liebe und des Mitgefühls wirkt Empathie für sich alleine wie eine elektrische Pumpe, in der das Wasser nicht mehr zirkuliert. Sie läuft schnell heiß und fängt an zu brennen.“



Hat Mitgefühl Grenzen ?

 

Mitgefühl ist eine universelle Fähigkeit, die sich entwickeln, aber nicht begrenzen lässt. Wenn wir beginnen, uns in Achtsamkeit und Mitgefühl zu üben, beginnt sich unser Gehirn zu verändern. Wir können beobachten, wie wir mehr und mehr in der Lage sind, Positionen und Verhaltensweisen, die uns bislang unverständlich und inakzeptabel erschienen, zu verstehen. Wir sind in der Lage, rationale Kritik an Verhalten und Positionen zu äußern, können aber gleichzeitig die dahinterliegenden Motive und Bedürfnisse erfassen und mitfühlend begleiten. Das ist eine gute Sache.


Was aber passiert, wenn inakzeptable Verhaltensweisen dazu führen, dass andere Wesen Schaden nehmen ?  Führt mein Mitgefühl dann nicht dazu, dass ich das Verhalten toleriere und dadurch noch mehr Leid entsteht ? Ganz konkret gefragt: führt mein Mitgefühl mit aversiv arbeitenden Hundetrainer*innen nicht dazu, dass noch mehr Hunden Stress, Angst und Schmerz unter dem Deckmantel des Trainings zugefügt wird ? Ich beantworte diese Frage mit „Nein“. Denn Mitgefühl bedeutet nicht Akzeptanz, sondern eine anteilnehmende Begleitung auf der Grundlage gemeinsamer, menschlicher Gefühle und Bedürfnisse. Bei allem Mitgefühl werde ich weiterhin Aufklärungsarbeit für positives Hundetraining betreiben und mich bemühen, Trainer*innen der "alten Schule" davon zu überzeugen.


Große Worte


Und doch: wenn ich aversiv arbeitende Hundetrainer*innen sehe, werde ich traurig und wütend zugleich. Auch ich möchte diesen Trainer*innen meine Trauer und Wut ins Gesicht schreien. Allerdings weiß ich auch, dass sich dadurch nichts ändern würde, außer, dass ich mich noch hilfloser fühlen würde.


Die Buddhistische Psychologie lehrt uns, die Welt zu akzeptieren, wie sie ist. Aus Akzeptanz erwächst eine Freiheit in Kopf und Herz, die mit der Enge eines "das darf nicht sein" nicht zu vergleichen ist. Ich habe auch noch keine Lösung dafür, wie wir es schaffen, dass Menschen andere Tiere mit Respekt und Mitgefühl behandeln. Ich bin mir aber sicher, dass Veränderung nur entstehen wird, wenn wir eine Ebene finden, auf der wir miteinander als Menschen in Verbindung treten können.


Mitgefühl ist der einzige Kommunikationskanal, auf dem wir jenseits aller methodischen Differenzen und gegenseitigen Entwertungen in Verbindung bleiben können. Und Verbindung ist die Voraussetzung für Weiterentwicklung.


 

Ich bin gespannt, welche Gedanken Euch zu diesem kontroversen Thema durch den Kopf gehen. Kommentiert gerne hier unter dem Artikel, auf Facebook oder auf Instagram.

 

Herzlichst

Eure Biggi



Bilder:

Titelbild: Goran Horvat / Pixabay

Papagei: Rainer121076 auf Pixabay

Buddha: janeb13 auf Pixabay


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