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Angebot und Nachfrage. Motivation matters !

Biggi Junge
Angebot und Nachfrage sind Begriffe aus der Ökonomie. Auf eine Art sind sie aber auch im Hundetraining relevant. Mir stellt sich dabei die Frage, warum wir als Menschen so oft bestimmtes Verhalten bei Hunden nachfragen, und das, was sie uns freiwillig anbieten, vernachlässigen oder gar ignorieren

Im Zentrum der Ausbildung zur Hundetrainerin steht das Phänomen des Lernens. In den allermeisten Fällen ist die Hundetrainerin Ansprechpartnerin für Menschen, die wollen, dass ihr Hund ein bestimmtes Verhalten entweder erlernt oder unterlässt. Sie wollen lernen, wie sie das Verhalten ihres Hundes beeinflussen können. Der Weg, den ich dann wähle, diesen Wunsch zu erfüllen, ist abhängig von vielen verschiedenen Faktoren, z.B. vom Alter des Hundes, den Persönlichkeiten von Mensch und Hund, Vor- und Lernerfahrungen von Mensch und Hund, der Art der Beziehung und manchmal auch von den Themen, die diesem Wunsch beim Menschen zugrunde liegen. 

Die Methoden der Verhaltensmodifikation sind vielgestaltig. Die Wichtigsten möchte ich Euch gerne vorstellen.


Locken

Locken ist die scheinbar einfachste Form, einem Hund ein neues Verhalten zu erklären. Es wird vor allem von Ersthundehalter*innen gerne verwendet. So einfach die Methode ist, hat sie doch auch ihre Tücken. Das Lockmittel motiviert den Hund dazu, ein bestimmtes Verhalten auszuführen. Am Ende wird das Lockmittel zur Belohnung für das erfolgreich gezeigte Verhalten. Der Trick ist nun, das Lockmittel möglichst schnell wieder abzubauen. Denn das Ziel ist ja, dass der Hund das gewünschte Verhalten auch ohne einen Keks in der Hand zeigt. Hier scheitern viele Halter*innen, weil sie nicht wissen, wie sie vom Locken zur variablen Verstärkung kommen. Außerdem kann es sein, dass das Locken mit einem sehr interessanten Leckerli den Hund über seine eigenen, inneren Grenzen hinausgehen lässt. Dann wird er die Übung vielleicht ein- oder zweimal mitmachen, sie forthin aber verweigern. Dies ist insbesondere bei unsicheren oder ängstlichen Hunden der Fall. 


Freies Formen

Das freie Formen ist eine Methode, bei der der Hund viel Eigeninitiative zeigen kann. Es ist eine wundervolle Methode zur kognitiven Auslastung, macht Spaß und festigt die Bindung von Mensch und Hund .

 

Das Vorgehen sieht folgendermaßen aus: der Mensch denkt sich eine Übungsabfolge aus, die er/sie sich sehr klar und präzise vorstellt. Beispielsweise soll der Hund mit allen vier Pfoten in einen Karton steigen. Nun wird jede Interaktion des Hundes mit dem Karton und jede Bewegung auf den Karton zu verstärkt. Nach und nach wird das Belohnungkriterium erhöht, um den Hund zu animieren, weitere Schritte in die gewünschte Richtung zu gehen, bis das Endverhalten erreicht ist. Bei dieser Methode bietet es sich an mit einem Marker oder Klicker zu arbeiten. 


Modellieren

Das Modellieren ist eine Methode, bei der der Hund manuell in die gewünschte Position gebracht wird. Das alleine zeigt bereits, dass sie nicht dazu geeignet ist, komplexe Verhaltensketten aufzubauen. Ich selbst verwende sie so gut wie nicht. Wobei argumentiert werden könnte, dass ein sanftes Hinabgleiten mit der Hand am Hinterlauf des Hundes, um ihn zu motivieren, die Pfote zum Abtrocknen anzuheben, ein Modellieren des Verhaltens ist. Und dies praktiziere ich mit Charlie tatsächlich. Außerdem könnte ebenfalls argumentiert werden, dass sanft führende Handberührungen eine gute Methode sind, um beispielsweise blinden Hunden eine Körperposition zu erklären. Aber ein kraftvolles Hin- und Herschieben oder Hinunterdrücken des Hundekörpers halte ich persönlich für viel zu invasiv und empfehle es deshalb auch nicht.  


Anbahnen


Das Anbahnen ist eine Form der Verhaltensmodifikation, die ebenfalls nur selten Anwendung findet. Und ehrlich gesagt fallen mir dazu auch nur Beispiele ein, die ich selbst nicht empfehle. Der Vollständigkeit halber möchte ich es aber trotzdem erklären.

 

Das Anbahnen funktioniert nach dem Prinzip „wenn A, dann B“. Beispielsweise möchte ich das Schütteln des Hundes unter Signal zu stellen. Damit der Hund sich schüttelt, muss er nass sein. Also sorge ich dafür, dass er nass wird, lasse ihn sich schütteln und belege das Verhalten mit einem Signal. Oder er soll den Trick lernen, sich mit der Pfote über die Nase zu wischen. Wenn ich ihm etwas auf die Nase klebe, das ihn stört (z.B. einen Klebezettel), wird er das Verhalten ganz bestimmt zeigen und ich kann es wieder unter Signal stellen.

 

Falls Euch weniger invasive Beispiele einfallen, freue ich mich über Kommentare. Ansonsten ist das Anbahnen eine Methode, die ziemlich unelegant und nicht besonders freundlich gegenüber dem Hund ist, weshalb ich von ihrer Anwendung abrate. 


Nachahmen

Als sozialen Lebewesen liegt Nachahmung Hunden im Blut – wie uns Menschen übrigens auch. Welpen lernen schon in ihren ersten Wochen durch Nachahmung von ihrer Mutter und von ihren Wurfgeschwistern. Und das ändert sich auch nicht, wenn sie älter werden. Im Hundetraining machen wir uns das Nachahmungslernen beispielsweise beim Tricksen zunutze. Hunde sind in der Lage, komplexe Bewegungsabläufe durch Beobachtung zu imitieren. Ob dazu ein konditioniertes Ankündigungssignal wie im „Do as I do“ von Dr. Claudia Fugazza benötigt wird oder nicht, hängt stark vom Hund und seinen Fähigkeiten ab.



Einfangen

Das Einfangen von Verhalten ist eine Methode, die im Hundetraining oft etwas stiefmütterlich behandelt wird. Dabei liegt gerade in seiner Einfachheit ein enormes Potential. Das Prinzip ist ganz einfach: der Hund zeigt ein bestimmtes Verhalten, das ich gerne häufiger sehen würde. Ich zeige dem Hund meine Freude über sein Verhalten (sozialer Verstärker) und belohne es initial auch materiell. Da Hunde großartig darin sind, Muster zu erkennen, wird er mir das Verhalten vermutlich künftig häufiger anbieten. Das Signal für das Verhalten setze ich dann mit dem der Klassischen Konditionierung entsprechenden Timing auf das Verhalten drauf und gehe zur variablen Verstärkung über.

 

Einfach ist nicht simpel

 

Ich habe den Eindruck, dass das Einfangen von Verhalten vielen Trainer*innen zu simpel ist. „Das ist doch kein richtiges Training.“ „Da mache ich mich als Trainer*in sind doch überflüssig.“ "Da lernt der Hund doch nichts." Ich bin der Auffassung, dass wir das Einfangen als Trainingsmethode massiv unterschätzen. Vor allem deshalb, weil uns viel an freiwillig angebotenem 'Verhalten auf Seiten der Hunde durch die Finger rutscht. Verhalten muss sich lohnen. Und wenn das angebotene Verhalten nicht nachgefragt wird, wird es eingestellt.

 

Warum ist das so? Auf der einen Seite liegt der Fokus von Trainer*innen und Halter*innen sehr stark auf dem unerwünschten Verhalten, das verändert werden soll. Auf der anderen Seite sollen Verhaltensweisen geformt und konditioniert werden. Mir erscheint das so, als ob wir mehr in der Vorstellung davon leben, wie der Hund sein soll, als mit dem, was der Hund tatsächlich ist. Mit Hunden zu leben und zu arbeiten, setzt voraus, ihre Kommunikation zu verstehen. Dafür ist aber Unvoreingenommenheit nötig, die Freiheit von festen Ideen darüber, wie der Hund zu sein hat. Nur so können wir das reichhaltige Angebot, das uns Hunde jeden Tag machen, sehen und annehmen.

 



Kontrolle abgeben


Gerade bei Welpen oder Tierschutzhunden, die neu in der Familie angekommen sind, ist das Einfangen von Verhalten die Methode der Wahl. Es braucht weder spezielle Settings noch das braucht es das Konditionieren eines Markers oder Clickers. Mit dem Einfangen ist Training Alltag und Alltag ist Training. Diese Beiläufigkeit lässt Stress oder Druck gar nicht erst aufkommen. Und weder Mensch noch Hund werden mit Erwartungen überfrachtet.

 

Diese  lockere Herangehensweise ans Training setzt allerdings voraus, dass wir bereit sind, ein gewisses Maß an Kontrolle über den Trainingsprozess abzugeben, ihn zunächst als ergebnisoffen zu betrachten und dem Hund und seinen Fähigkeiten zu vertrauen.

 

Hierin liegt die Herausforderung für Trainer*innen und Halter*innen. Das Leben mit Hund beinhaltet immer auch die Aufforderung, sich persönlich weiterzuentwickeln. Und Entwicklung findet nicht statt, wenn ich dem Hund immer nur meine eigenen Vorstellungen von richtigem Verhalten aufzwänge. So freundlich und positiv verstärkend der Prozess auch sein mag, entbehrt auch das positive Training nicht eines gewissen Zwangs.

 

Eine Win-Win-Situation

 

Ich habe in diesem Text ganz bewusst eine Lanze für das Einfangen von Verhalten brechen wollen. Das bedeutet natürlich nicht, dass andere Herangehensweisen falsch oder überflüssig wären. Abhängig vom Hund, vom Menschen, vom Verhalten und den gesetzten Zielen ergänzen sie einander. Und für manche Hunde eignet sich tatsächlich die eine oder die andere Methode besser oder schlechter. 

 

Hunde sind komplexe, soziale Wesen, die großes Interesse an der Interaktion mit Menschen haben. Klassischerweise werden Fressen, Schlafen, Jagen und Fortpflanzung als primär motivierend verstanden. Ich jedoch bin der Überzeugung, dass die Domestizierung Hunden die Interaktion auch mit dem Menschen zu einem primären Bedürfnis hat werden lassen. Diese Motivation wird im klassischen Hundetraining noch viel zu wenig genutzt.

 

Verhaltensangebote anzunehmen schärft nicht nur unsere Beobachtungsgabe und verbessert unser Training, es stärkt vor allem auch das Selbstbewusstsein und die Selbstwirksamkeit des Hundes. Er fühlt sich wahrgenommen und spürt, dass er nicht nur sein Umfeld sondern auch seine sozialen Beziehungen durch eigenes Verhalten beeinflussen kann.



Bilder: Pavel Hrdlička auf Pixabay

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